zum Thema „Facebook, Fussball und die Grundrechte“
PUBLICUS – Boorbergverlag – Ausgabe: 2018-08
Auf den ersten Blick mag man sich fragen, was Facebook und Fußball denn mit Grundrechten zu tun haben, wo diese doch nach Art. 1 Abs. 3 GG „nur“ die staatliche Gewalt als solche zur Achtung der Grundrechte verpflichten. Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018, Az. 1 BvR 3080/09 – bundesweites Stadionverbot) und einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018, Az. 2-03 O 182/18 – Facebook) haben Facebook und Fußball ganz schön viel mit der Beachtung der Grundrechte zu tun.
1. Entscheidung des BVerfG
Der Entscheidung des BVerfG lag der Fall zugrunde, ob ein an der Fußball-Bundesliga teilnehmender Verein mit einer Fußballlizenz-Mannschaft stellvertretend für den Deutschen Fußball-Bund, den Ligaverband sowie für sämtliche Vereine der Fußball-Bundesliga ein bundesweites und für mehrere Jahre gültiges Stadionverbot aussprechen durfte. Hierzu vertritt das BVerfG die zutreffende Auffassung, dass Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) kein objektives Verfassungsrecht enthält, wonach Private ihre Rechtsbeziehungen prinzipiell gleichheitskonform zu gestalten hätten. Solche Anforderungen an die Gestaltung privater Rechtsverhältnisse folgen auch nicht aus der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten. Allerdings können sich gleichheitskonforme Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten aus Art. 3 Abs. 1 GG für spezifische Konstellationen ergeben. Das gilt etwa dann, wenn Veranstaltungen aufgrund einer eigenen Entscheidung des Veranstalters einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und wenn ein auf das Hausrecht des Veranstalters gestützter Ausschluss von diesen Veranstaltungen für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet.
Der Ausschluss bestimmter Personen von einem solchen Ereignis bedarf bei einem bundesweiten Stadionverbot eines sachlichen Grundes. Indem ein Privater eine solche Veranstaltung ins Werk setzt, erwächst ihm von Verfassungs wegen auch eine besondere rechtliche Verantwortung. Er darf seine hier aus dem Hausrecht – so wie in anderen Fällen möglicherweise aus einem Monopol oder aus struktureller Überlegenheit – resultierende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem solchen Ereignis auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung des Eigentums als absolutes Recht und die daraus folgende einseitige Bestimmungsmacht des Hausrechtsinhabers ist, anknüpfend an die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), mit der zu beachtenden Ausstrahlwirkung des Gleichheitsgebots in Ausgleich zu bringen. Den Betroffenen steht auf der anderen Seite das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben zur Seite. Aufgrund dessen können Veranstalter nicht ohne sachlichen Grund von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.
2. Entscheidung des LG Frankfurt am Main
Der Entscheidung des LG Frankfurt am Main lag der Fall zugrunde, ob Facebook den Post eines Nutzers mit der Begründung entfernen dürfe, er entspräche offenbar nicht den Gemeinschaftsstandards und den Nutzer darüber hinaus für 30 Tage sperren dürfe. Nach rechtlicher Auffassung des LG schließen Nutzer mit Facebook einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen. Gegenstand dieses Vertrages sind auch die von Facebook gestellten Verhaltensregeln als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Zwar kann Facebook als Betreiber des sozialen Netzwerks seine Verhaltensregeln auch durch Entfernen eines rechtswidrigen Inhalts oder durch Sperrung eines Nutzeraccounts durchsetzen. Unter Verweis auf die oben zitierte Entscheidung des BVerfG führt das LG weiter aus, dass eine solche Sperre nicht voraussetzungslos möglich ist. Der zwischen dem Nutzer und Facebook geschlossene Vertrag beinhaltet Schutzpflichten des Betreibers (Facebook) gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Im Rahmen dieser Schutzpflichten sind – im Wege der mittelbaren Drittwirkung – die Grundrechte des Betroffenen zu berücksichtigen. Das führt insbesondere dazu, dass der Nutzer grundsätzlich ohne Furcht vor Sperren zulässige Meinungsäußerungen auf Facebook kundtun darf. Deshalb ist Voraussetzung einer solchen Sperre zunächst, dass der Ausschluss sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich ist (Art. 3 Abs. 1 GG).
3. Fazit
Beide Entscheidungen lassen erkennen, dass sich gerade Veranstalter oder Betreiber von sozialen Netzwerken mit einer gewissen Monopolstellung nicht voraussetzungslos und uneingeschränkt auf ihr (virtuelles) Hausrecht berufen können. Vielmehr resultiert aus der Stellung des Deutschen Fußball Bundes als auch aus der Stellung von Facebook eine erhebliche Verantwortung. Dieser Verantwortung muss dadurch nachgekommen werden, dass Ausschlüsse oder Sperren sorgfältig geprüft, begründet und unter Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG vollzogen werden.